PROJEKT: „EISLER IM EXIL“

 

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Vor mehr als fünfzig Jahren beantragten Hanns Eisler und Bert Brecht Wohnrechte in den USA.

Der eine war seinerzeit ein bedeutender Komponist, der andere wurde danach Deutschlands liebster Bürgerschreck, Lyriker und Theaterschriftsteller der Nachkriegszeit. Während ihres Exils schrieben Brecht und Eisler Lyrik und Lieder absichtslos „für die Schublade“, später zusammengefasst als das „Hollywooder Liederbuch“: Lieder auf der Flucht im Angesicht neuer Erlebnisse, zunächst in Dänemark und Finnland und später in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen Hollywood.

In Amerika zählten Brecht und Eisler zu der Reihe der Intellektuellen und Kulturschaffenden, die während der Mc Carthy-Ära vor dem sogenannten „Ausschuss für unamerikanische Tätigkeiten“ verhört wurden. Beide verließen daraufhin ihr amerikanisches Domizil. Fänden Brecht und Eisler heute in Deutschland Asyl?

Deutschland ist ein asylgewährendes Land. Aber nicht immer. Und wann, bei wem? Wer sind diese Leute die hier überall in den Containerunterkünften wohnen?

Zum Beispiel die zarte ältere Dame aus Uygurien, die über 180 Veröffentlichungen hinter sich hat und jetzt vor der Wirkung ihrer Worte flieht. In Deutschland abgelehnt, wir haben von ihr noch drei Gedichte...eine Brecht vergleichbare Gestalt aus einem anderen Kulturkreis?

Unsere Wahrnehmung von Menschen im Exil in Frage zu stellen, ihr Schaffen erlebbar zu machen, zu befragen anhand des historischen Materials, ist das Ziel dieses Experimentes, das wir musikdramaturgisch, mit filmischen Mitteln und in direkter Zusammenarbeit mit dem Publikum über das historische Material hinaus weitertreiben mit O-Tönen, Texten, Bildern und Musik.

Mit im Team dabei ist ein russischer Bühnenbildner und Regisseur, ein iranischer Filmemacher, gleichzeitig ein inspirierter Geiger. Unsere Aktivitäten werden sich ergänzen und überschneiden. Was passiert, wenn wir, vermeintlich in Sicherheit Lebenden, uns dem Exil aussetzen?

 

Es geht um Wahrnehmung, die andere Wahrnehmung von Menschen im Exil in Deutschland und auch um die Wahrnehmung des Publikums in seiner eigenen Situation. Die vermeintliche Sicherheit des Theatergängers wird in Frage gestellt werden – doch dabei werden diese Theatergänger  trotzdem einen hohen Kunstgenuss in Anspruch nehmen können.

Am Ende des inszenierten Liedzyklus aus zwei Welten steht der Zuschauer in einer Situation, in der ihm der sichernde historische Kontext und ebenso die entsprechende Musik unter den Füßen weggezogen sind. Auch die bürgerliche Betrachtungsweise geht  verloren, unter den Einwirkungen dieser anderen  Welt, die sich zuletzt als Konfrontation mit unserer Alltäglichen herausstellt und neue Antworten fordert.

 

Ein sensibler Kosmos der Gefühle aber auch der Gerüche und Geräusche im fremden Land, ein Focus auf die verfeinerte Wahrnehmung während der Flucht

liegt dem Abend thematisch zugrunde.

In dieser Gegenwart, auf der „anderen Seite“ der Historie von Brecht und Eisler, mit Liedern, Verhören und  O-Tönen soll die Präsenz der heutigen Exilsituation im Asylantenheim, deren Gespräche, Gedichte und stummen Schreie und – Gesänge? eindringen. Unter der historischen Ebene schiebt sich die zweite, sehr gegenwärtige hervor, und beginnt so die Auseinandersetzung  mit  Gedanken/Komposition im heutigen Asyl.

 

Texte, Verhöre und Musik  werden im Dialog zu einander gesetzt, zerfetzt ineinander aufgelöst oder sich reibend im Kontrast in die Situation mit aktuellen O-Tönen aus dem Asyl in einer Münchener Asylbewerberunterkunft, sowie mit historischen O-Tönen und neuzukomponierenden Teilen.